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„Willst Du mit nach Litauen“ wurde ich im März diesen Jahres gefragt. Ich musste nicht lange überlegen und sagte spontan zu. Um
was geht es hier? Sulingen hat in Litauen eine Partnerstadt: Joniškis. Die Stadt liegt im Norden Litauens ca. 15 km von der Landesgrenze zu Lettland entfernt und somit 90 km südlich von Riga. Die Stadt Sulingen
möchte ihrer Partnerstadt ein Geschenk machen und ein gebrauchtes Feuerwehrauto verschenken. Die Ortsfeuerwehr Rathlosen bekam als Ersatz für einen 30 Jahre alten Ford Transit, das den nächsten TÜV wohl nicht mehr
überstehen würde, im Mai ein neues Fahrzeug. Das alte Tragkraftspritzenfahrzeug konnte somit an die Feuerwehr Joniškis übergeben werden, da es aus feuerwehrtechnischer Sicht noch voll funktionsfähig ist. Dieses Auto
sollte nun per Straße nach Litauen gebracht werden. Es fanden sich sieben Personen zusammen, die dieses Abenteuer auf sich nehmen wollten: Ratsherr Friedhelm Hartkamp, der den Hilfstransport leitete, stellv.
Stadtbrandmeister Heinfried Melloh, Ortsbrandmeister Rainer Diers, Stadtschirrmeister Bernd Schröder und die Rathloser Feuerwehrkameraden Udo Diers, Heiner Rabbe und Heinrich Niemeyer. Friedhelm Hartkamp, der
schon vier Hilfstransporte nach Königsberg (Russland) durchgeführt hat, konnte auf genügend Erfahrung zurückblicken und erledigte im Vorfeld viele Formalitäten wie Genehmigung des Hilfstransportes (Humanitäre
Hilfe), Zollanmeldung, Straßenbenutzungsgenehmigungen sowie Grenzübergangsanmeldungen. Am Dienstag, den 17. Juni um 2 Uhr ging es am Feuerwehrhaus Rathlosen los. Wir sollten eine eindrucksvolle sechstägige Reise
hinter uns bringen... Wir wurden von einer großen Abordnung der Feuerwehr Rathlosen und Bürgermeisterin Ingrid Jantzon mit den besten Fahrtwünschen verabschiedet. Dann ging es los - knapp 1600 km lagen vor uns.
Mit drei Fahrzeugen - das Feuerwehrfahrzeug, ein Mitsubishi-Pajero und ein Mercedes-Benz-Vito ging es Richtung Osten. Vorbei an Berlin ging es zum Grenzübergang Pommeln/Stettin. Dank der guten Vorbereitung und
Erfahrung bei Hilfstransporten von Friedhelm Hartkamp dauerte der Grenzübertritt nur knapp eine Stunde. Die Stadt Sulingen hatte alle Dokumente in die polnische und litauische Sprache übersetzt. Weiter östlich
fuhren wir durch Bydgoszcz (früher Bromberg) über Olsztyn (Allenstein) in die Masuren, wo wir das erste Übernachtungsquartier kurz vor Mragowo um 21 Uhr erreichten. Am
Mittwoch legte unsere Crew einen Ruhetag ein und wir sahen uns die nähere Umgebung in den Masuren an: Die Wallfahrtskirche in Swiet Lipka (Heilige Linde) und die Wolfsschanze. Die Wolfsschanze war Hitlers
Hauptquartier im 2. Weltkrieg. Hier kann man hautnah sehen, welch Unfug im 3. Reich getrieben wurde. Hitler hatte sich z.B. durch einen Bunker im Bunker doppelt abgesichert. Die Wolfsschanze ist auch der Ort, wo
Graf von Stauffenberg das Attentat auf Hitler misslang. Anschließend fuhren wir noch zum Ausflugsort Mikolajki (Nikolaiken), wo die Saison im Yachthafen so langsam begann. Ich muss sagen, dass die Masuren eine wirklich schöne Gegend sind und man hier gut und preiswert einen Urlaub verbringen kann. Abends wurde in gemütlicher Runde gegrillt, ehe wir uns
zeitig schlafen legten. Donnerstag morgen verabschiedeten wir uns bei unseren tollen Gastgebern und es ging um 7 Uhr weiter Richtung Litauen. Die Straßenverhältnisse blieben gleich schlecht, bevor sie in Litauen
wesentlich besser wurden. Der Übergang an der Grenze mit der Einfuhr des Feuerwehrfahrzeuges dauerte zweieinhalb Stunden, verlief aber abgesehen von sprachlichen Hindernissen problemlos. Hinter der Grenze wurde der
Hilfstransport dann von Kristina Peciukiene, der Mitarbeiterin für Internationale Kontakte von Joniškis begrüßt und in die jetzt noch 310 km entfernte Partnerstadt Sulingens begleitet. Wir fuhren vorbei an Kaunas
und Šiauliai Richtung Norden nach Joniškis. Gegen Abend erreichten wir nach insgesamt 26 „reinen“ Fahrtstunden die Partnerstadt Sulingens und das Quartier konnte bezogen werden. Es wurden sofort freundschaftliche
Kontakte zu den Feuerwehrleuten geknüpft. Da es doch sprachliche Barrieren gab, da kein Litauer Deutsch spricht und keiner der Deutschen Litauisch, besannen wir uns auf Englisch und so verständigten wir uns mehr
recht als schlecht. Aber mit Hilfe des Internets konnte man die Seiten aus der Heimat zeigen und so wurde es einfacher. In Litauen gibt es übrigens keine Freiwillige sondern nur eine Berufsfeuerwehr. Am Freitag
morgen wurde das Fahrzeug an die Feuerwehr übergeben. Dazu war der Bürgermeister in der Hauptfeuerwache erschienen. Friedhelm Hartkamp als Vertreter de Stadt Sulingen übergab zusammen mit Heinfried Melloh und
Rainer Diers das Fahrzeug. Es wird seinen Standort in einer Ortschaft von Joniškis haben, wo ein 45 Jahre altes Fahrzeug ausgemustert wird. Dieses Feuerwehrhaus ist ständig mit zwei Feuerwehrmännern besetzt.
Zusammen mit dem Leiter der Feuerwache fuhr die Sulinger Delegation zu diesem Feuerwehrhaus. Die Freude war sichtlich riesengroß. Danach zeigte Kristina den befreundeten Deutschen die Stadt Joniškis und die
nähere Umgebung. So konnten wir ein bisschen von Land und Leuten kennen lernen und Eindrücke sammeln. Der Informationsaustausch fand wieder auf Englisch statt, da kein Dolmetscher vorhanden war. Die
Hilfstransport-Crew entdeckte große Gegensätze in Litauen, z.B. haben viele Familien eine Kuh und ein Pferd und ein Stück Land, von dem sie leben müssen. Während der Fahrt wurden auch viele Pferde-Fuhrwerke
gesichtet. Man fühlte sich in der Zeit teilweise über 40 Jahre zurückversetzt. An einigen Stellen waren auf den Feldern allerdings auch Rundballen zu sehen. Im Ganzen wirkt das Land sehr grau. Es ist aber deutlich
zu erkennen, dass sich die Bevölkerung Litauens Europa zuwenden will. Der Wille ist fast überall zu sehen. Über das Sowjet-Regime wird ständig negativ berichtet. Die Einwohner sind froh, wieder selbständig zu sein.
Nachdem wir Kristina zum Abendessen eingeladen hatten, klang der Abend gemütlich aus. Als wir die Besitzerin des Restaurants (die etwas Deutsch sprach) baten, uns ein Taxi zu bestellen, lehnte sie dieses mit dem
Hinweis ab, dass sie uns persönlich kostenlos zum Hotel bringen würde. Welch ein Service! (den wir natürlich dankend annahmen) Am nächsten Morgen ging es auf die Rückfahrt, für die wir nur 21 Stunden reine Fahrtzeit
benötigten, da wir ja nun ohne Feuerwehrauto fuhren. Nach elf Stunden erreichten wir Warschau. Hier machten wir auf eigene Kappe eine Besichtigung der Altstadt, bevor es in das 50 km westlich gelegene Hotel in
Sochaczew ging. Hier hatte uns ein polnischer Arbeiter, der einige Monate im Jahr in Rathlosen arbeitet, zu einem Grillabend eingeladen. So konnten wir auch sehen, wie die „einfachen Leute“ in Polen leben. Am
Sonntag erfolgte dann der Startschuss zur letzten Etappe - knapp 1000 km waren noch bis Rathlosen zu bewältigen. Da wir gut im Zeitplan lagen, entschlossen sich Friedhelm Hartkamp und ich die anderen Mitfahrer mit
einem Abstecher nach Berlin zu überraschen. Kurzum knüpfte Friedhelm Hartkamp telefonisch Kontakt zu MdB Walter Link, der sich im Zug Richtung Berlin befand. Spontan lud Walter Link die Hilfstransportler in den
Reichstag ein. Nach einer kurzen Führung durch den Reichstag wurde die Kuppel erklommen und Berlin von oben „besichtigt“. Mit einem anschließendem Abendessen bedankte sich Walter Link für das soziale Engagement.
Sein Büro unterstützte den Hilfstransport durch Kontakte zu den Deutschen Botschaften in Villnius und Warschau. Um 22 Uhr fuhren wir vorbei an der Siegessäule, über den Kurfürstendamm und die Avus und verließen die
Bundeshauptstadt gen Heimat. Um 1.15 Uhr des 23. Junis war das Ziel erreicht. Wir kamen zufrieden in Rathlosen an und hatten insgesamt 3.670 km zurückgelegt. Ein ganz besonderer Dank gilt den Sulinger Firmen
Jantzon & Hocke und dem Autohaus Clamann, die die Begleitfahrzeuge zur Verfügung stellten, der VGH-Agentur Meineke, die das Feuerwehrfahrzeug kostenlos versicherte, sowie Henning Löhmann aus Rathlosen für die
Fa. Arcon aus Liebenau, die einen Geldbetrag für die Durchführung des Transportes spendete. Alle Mitfahrenden des Hilfstransportes haben eine erlebnisreiche Woche hinter sich und sind sich einig, dass den Litauer
Freunden geholfen wurde und die Stadt Sulingen mit dieser Spende eine richtige Entscheidung getroffen hat. Wir haben eine Menge an Eindrücken gewonnen und einen kleinen Einblick in das Leben der Menschen in Polen
und Litauen gehabt. Wir sind uns einig, dass uns Deutschen manchmal gar nicht bewusst ist, wie gut wir es haben!
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